Interview zum Thema Unterstützte Kommunikation

Kommunikation ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen – sie ermöglicht Teilhabe, Beziehungen und Selbstbestimmung. Doch was passiert, wenn Sprache nicht oder nur eingeschränkt möglich ist? Genau hier setzt Unterstützte Kommunikation (UK) an. Unsere UK-Verantwortliche Renate Trawöger hat uns zu dem Thema einige Fragen beantwortet.

Wie würdest du Unterstützte Kommunikation (UK) mit deinen eigenen Worten beschreiben?

Unterstützte Kommunikation ergänzt und/oder ersetzt Lautsprache, gibt Orientierung und Struktur und ist bei Menschen mit komplexen Behinderungen extrem wichtig.

Wie bist du zum Thema UK gekommen?

Erste Kontakte hatte ich damit bei meiner Ausbildung zur Sozialpädagogin und danach immer wieder Berührungspunkte bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen.

Warum ist UK aus deiner Sicht so wichtig?

UK ermöglicht Ausdrucksformen und Sprache. Nur wer Sprache hat, kann an verschiedensten Lebensbereichen teilhaben, kann Entscheidungen treffen, soziale Kontakte knüpfen und aufrechterhalten, Identität bilden, Bedürfnisse mitteilen und Selbstbestimmung leben. UK gibt auch Struktur und Orientierung im Alltag.

Mit welchen Formen der Unterstützten Kommunikation wird im SZO am meisten gearbeitet?

Es wird sehr viel mit körpereigenen Kommunikationsmitteln gearbeitet, z. B. über Nicken oder Kopfstrecken Zustimmung ausdrücken oder über Laute. Es gibt verschiedenste Orientierungshilfen – visualisierte Menupläne, Tagespläne, Einsatzpläne der Mitarbeitenden. Neu gibt es auch taktile Übergangsgegenstände für Räume. So bedeutet z.B. ein weiches Stück Wolle, dass es jetzt in den Snoezelen-Raum geht. Einige Klientinnen und Klienten haben auch Tablets mit passenden Programmen oder Geräte mit Augensteuerung. Im Alltag sind auch einfache Taster oder Step by Steps im Einsatz, über die Geräusche oder kurze Aussagen aufgenommen und später auf Knopfdruck abgespielt werden können.

Per Knopfdruck können vorab aufgenommene Aussagen oder Geräusche abgespielt werden. 

Wie entscheidet man, welche Kommunikationsform oder welches Hilfsmittel für eine Person am besten passt?

Bis anhin konnten wir immer Mitarbeiterinnnen von active communication (Anm.: Anbieter von Kommunikationshilfen) beiziehen, die dann anhand von Beobachtungen, Aussagen der Mitarbeitenden und ihrer Erfahrung mögliche Hilfsmittel vorgeschlagen haben. Auch das Poster „Kommunikation einschätzen und unterstützen“ von Irene Leber bietet einen systematischen Überblick über mögliche UK-Angebote auf dem Weg von ersten Hilfen zum besseren Verstehen, bis hin zum Aufbau eines komplexen Kommunikationssystems.

© Irene Leber

Wie kann man das Umfeld (Angehörige etc.) in den Prozess miteinbeziehen?

Es ist zentral, dass die Klienten und Klientinnen auch zuhause die UK-Hilfsmittel nutzen und das ganze Umfeld mit dem Hilfsmittel die gleiche Sprache spricht.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Einführung und Anwendung von UK?

Grundsätzlich braucht man/frau einen langen Atem – dies wird vom buk (Anm.: Verein Bildung für Unterstützte Kommunikation) und anderen UK-Verantwortlichen immer wieder bestätigt. Wichtig ist, dass alle Beteiligten die Wichtigkeit, den Sinn und Zweck von UK erkennen und dies dann immer wieder ritualisiert und täglich anwenden, was im hektischen Alltag immer wieder untergehen kann.

Wie kann man UK in den Alltag einbauen, so dass sie selbstverständlich genutzt wird (auch wenn man nicht so viel Zeit zur Verfügung hat)?

Einplanen, ritualisieren und Freude an UK haben und daran, dass die Klienten und Klientinnen sich dadurch ausdrücken können. Körpereigene Zeichen zur Kommunikation nutzen, darauf achten, dass die Hilfsmittel immer in Greifnähe sind.

Was war für dich das schönste oder prägendste Erlebnis im Zusammenhang mit UK?

Einer Frau mit Aphasie (Anm.: durch Schäden am Gehirn erworbene Sprachstörung) wurde ein Tablet mit Sprachausgabe zur Verfügung gestellt. Es war unglaublich beeindruckend und auch berührend zu sehen, welche Freude sie hatte, dass sie auf diese Weise die Worte fand.

Was möchtest du deinen Kolleg:innen im SZO im Umgang mit UK gerne mit auf den Weg geben?

Machen, machen, machen und machen. Die Klientinnen und Klienten haben das Grundrecht auf Kommunikation und dafür sind wir alle in der Pflicht.

Vielen Dank!